Das Pferd übt auf den Menschen eine ganz besondere Faszination aus und seit dem Reiten in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zum Breitensport wurde, wollen sich auch immer mehr Menschen den Traum vom eigenen Pferd erfüllen. Die Zuchtverbände haben mit dem Deutschen Reitpferd auf diesen Trend reagiert. Sie verkünden heute "Unsere Pferde werden immer besser!" gleichzeitig geht aber die "Nutzungsdauer" immer weiter zurück und liegt bei Turnierpferden inzwischen unter vier Jahre.
In meinem Buch
"Vom Fluchttier zum Designerpferd" bin ich der Frage nachgegangen, warum Pferde so schnell "verschleißen" und ihren Reitern zunehmend Probleme bereiten. Ich habe die Ergebnisse zahlreicher veterinärmedizinischer Doktorarbeiten gesammelt, sie mit den Augen des Züchters und des Reiters betrachtet und einen Zusammenhang hergestellt. Höhere Beweglichkeit, zunehmende Größe und Veränderungen in der Statik des Skeletts, bis hin zum "Bergaufmodell" bringen unsere Pferde zunehmend aus der Balance. Dies führt zu schnellerem Verschleiß. Mangelnde Körperbeherrschung versetzt ein Fluchttier in Panik: Schreckhaftigkeit und Nervosität sind die Folgen.
Um die Pferde sowohl körperlich als auch seelisch wieder ins Gleichgewicht zu bringen benötigen sie ein pferdegerechtes Training. Hierzu gibt es wichtige Tipps zur Dehnungshaltung, zum Geraderichten und zur Versammlung.
Schon sehr früh zogen mich Pferde magisch an und ich wollte das Vertrauen dieser wundervollen Geschöpfe gewinnen, damit sie mich auf ihrem Rücken dulden und wir uns in harmonischen Einklang mit tänzerischer Leichtigkeit bewegen. Schon vor meiner ersten Reitstunde war ich mir der Verantwortung für ihr Wohlergehen bewusst: kein Pferd sollte durch mich einen Schaden erleiden. Sorgfältige Pflege, Fütterung und Beobachtung der Tiere, um selbst kleinere Verletzungen oder ein Unwohlsein sofort zu erkennen, waren für mich selbstverständlich.
Je mehr ich über Pferde, ihre Natur, ihre Haltung in Menschenhand und ihre Ausbildung und Nutzung erfuhr, umso mehr musste ich feststellen, dass diesen Tieren oft gedankenlos Unrecht getan und nicht auf ihre Grundbedürfnisse eingegangen wird. Oftmals besteht noch nicht einmal ein Unrechtsbewusstsein, da Pferde still leiden und erdulden.
Immer wieder traf ich aber auch auf Menschen, die ähnlich wie ich dachten, denen das Wohlergehen ihrer Pferde ein echtes Anliegen war und ist. Von ihren Erfahrungen durfte ich profitieren und sie haben mich in meiner Einstellung bestärkt. Mit der weiteren Entwicklung meiner reiterlichen Fähigkeiten ergaben sich stets neue Fragen, auf die es manchmal keine oder nur unzufriedene Antworten gab. Immer wieder begegneten mir Ungeduld und Unverständnis für den langsamen "Lernfortschritt" von Pferden oder ihr Unvermögen in den verschiedensten Bereichen des Pferdesports.
Körper und Bewegung der Pferde verstehen
Mit Ulrike Paulus habe ich eine Trainerin gefunden, die ähnlich wie ich von Kindesbeinen an von dem Wunsch beseelt war in Harmonie und Leichtigkeit mit Pferden umzugehen. Seit sie vor fast zwanzig Jahren erstmals Pferde in Beritt hatte, deren Körperbeschaffenheit ihnen bei der Reitausbildung Schwierigkeiten bereitete, ist Ulrike Paulus von dem Wunsch getrieben die körperlichen Zusammenhänge im Bewegungsablauf der Pferde immer genauer zu verstehen und in ein immer gezielteres und präziseres Körpertraining umzusetzen, das das Potential der Pferde fördert ohne es zu verbrauchen.
Zunächst wollte ich dieses sehr individuell auf jedes einzelne Pferd abgestimmte Training für jedermann verständlich beschreiben. Doch mir war bereits der veränderte Bewegungsablauf der Pferde im Spitzensport aufgefallen, ebenso die ständig zunehmende Zahl von Pferde-Gurus mit immer neuen Trainingsmethoden. Zwischen den Anhängern verschiedener Reitweisen entbrannte ein wahrer "Glaubenskrieg". Gelassenheitstraining und Gelassenheitstests wurden eingeführt und Pferde wie Hunde mit dem "Clicker" konditioniert. Dies alles machte deutlich, dass der Durchschnittsreiter mit den Schwierigkeiten, die ihm sein Pferd heutzutage bereitet nicht mehr alleine fertig wird.
Als ich von der aufrüttelnden Statistik hörte, dass Turnierpferde heute im Durchschnitt eine "Nutzungsdauer" von weniger als vier Jahren haben, nahm ich die Suche nach den Gründen für diese Entwicklung auf. Dabei wurde zunehmend deutlich, dass die Probleme eine Folge der geänderten Zuchtauswahl sind und somit verschob sich auch der Schwerpunkt meines Buches auf die Darstellung der Zucht und der Kriterien, die die Gesundheit und die Reiteignung eines Pferdes beeinflussen. Ich möchte damit nicht nur zur Diskussion anregen sondern auch einen Beitrag dazu leisten, dass das Pferd auch in Zukunft in möglichst großer Artenvielfalt unserer Leben bereichert.